Der Hospiz-Verein Konstanz e.V. will sich verstärkt um die Belange von Kindern kümmern, die vom Tod betroffen sind. Durch Krankheit oder durch den Tod eines Angehörigen. Für diese Initiative hat die bekannte Schauspielerin Barbara Auer die Schirmherrschaft übernommen. Trotz ihres anstrengenden Berufs nimmt sich die gebürtige Konstanzerin Zeit für die Kleinen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Diesem Engagement gebührt Respekt, und es beinhaltet ein hohes Maß an Verantwortung. Darüber, über Kinder und über das Thema Familie sprachen wir im Interview, wobei sich die Schauspielerin als eine Frau entpuppte, die es vorbildlich schafft, Beruf und Familie zusammen zu leben.

Frau Auer, der Hospizverein in Konstanz engagiert sich für Kinder, die von Sterben und Tod betroffen sind. Sie haben für das Projekt die Schirmherrschaft übernommen, und damit auch ein Stück Verantwortung. Was hat Sie dazu bewogen?

Der Hospiz Verein ist auf mich zugekommen. Ich wusste vorher von der Initiative nichts. Was mich dazu bewogen hat, ist die eigene Sorge oder Angst, die auch ich als Mutter manchmal habe. Der größte Albtraum oder das Schlimmste, was Eltern passieren kann ist, wenn die Kinder vor einem sterben und man sie so verliert. Oder, dass man die Kinder alleine lassen muss, weil man selbst todkrank ist. Dennoch begleitet einen auch immer das große Glück, was die Kinder für uns bedeuten. Das ist aber immer auch mit Sorgen verbunden. Dass die Kinder gesund bleiben, dass man sie fürs Leben erzieht, und dass man ihnen etwas mitgeben kann. Diese Art vonBerührtsein hat mich dazu bewegt, „Ja“ zum Hospiz zu sagen. Auch die Tatsache, dass das Projekt von so vielen Menschen getragen wird.

Was können Menschen noch tun, um sich zu engagieren, zu helfen, Verantwortung zu übernehmen?

Das muss jeder für sich entscheiden. Man kann jeden Tag Verantwortung übernehmen für etwas oder für jemanden. Ob das die eigene Familie ist oder ob das Freunde, Nachbarn oder Kollegen sind. Es kann auch ein Projekt sein, für das man Verantwortung übernimmt.

Wann wird das „Ich“ unwichtig? Wann müssen wir Erwachsene uns zugunsten von Kindern zurücknehmen? Ist das ein ständiger Prozess, etwas, was dynamisch verläuft?

Am Anfang fressen einen die Kinder ja erst mal auf. Und zwar mit Haut und Haaren. Da muss man sich sowieso zurücknehmen, wenn die Kinder noch ganz klein sind, das weiß jeder. Im berühmten ersten Jahr kommt man als Vater oder Mutter oft zu kurz. Selbstverständlich ist das ein dynamischer Prozess. Später wird es wieder lockerer, dann muss man das Gegenteil lernen, nämlich die Kinder loszulassen und sie nicht weiter zu vereinnahmen.

Welche Verantwortung tragen wir als Erwachsene generell für unsere Kinder, auch im Hinblick darauf, was wir den Kindern hinterlassen? Sie erben ja eine ganze Welt von uns.

Das, was wir unseren Kindern überlassen an ökologischen Problemen, oder was auch die Generation vor uns uns hinterlassen hat, auch an sozialen Problemen, das ist schon eine ganze Masse. Das wird auch immer mehr, hat man das Gefühl. Vielleicht bilden wir uns das aber auch nur ein.

Müssen Sie als prominente Person des öffentlichen Lebens Verantwortung vorleben? Haben Sie eine Art Vorbildfunktion?

Davor drücke ich mich natürlich gerne. Ich möchte eigentlich nicht Dinge in mich hinein projiziert haben, weil ich nicht mutiger, tapferer, schöner, besserer oder charakterstärker bin als andere. Aber eine gewisse Verantwortung haben wir schon, daher sollten wir uns auch nicht davor drücken, die eigene Prominenz für eine gute Sache zu benutzen.

Sie schreiben in einem ZEIT-Essay, Sie würden Ihre Kraft aus der Familie schöpfen. Ein Modell, das sie früher abgelehnt haben. Sehen Sie das heute anders? Ist die Familie für Sie der Ort, an dem Sie auftanken?

Meine Familie sagt zu mir in dem Moment, in dem ich zur Arbeit fahre: „Viel Spaß Mama“. Das ist dann erst mal wie Urlaub. Wenn ich wegfahre und arbeite, dann kann ich mich auch ein wenig erholen, weil manchmal bei uns so das Leben tobt. Die Tochter meines Mannes ist jetzt auch zu uns gezogen, so hat sich die Familie wieder ein wenig vergrößert. Es ist einfach viel los. Insofern tun dann alle so, als wenn ich bei der Arbeit im Urlaub wäre. Aber die Familie ist schon mein Lebensmittelpunkt, das habe ich nie abgelegt. Das Leben mit meinem großen Sohn habe ich auch als wir alleine waren, immer als Lebensmittelpunkt gesehen. Das klassische Kleinfamilien-Modell hatte ich anfangs ein wenig verachtet. Auch später hat es mir nicht so viel bedeutet, so nach dem Motto: „Ab einem gewissen Alter heiratet man einfach und lässt die Kinder taufen“.

Stammen Sie selbst aus einer Großfamilie?

Nein, wir waren drei Kinder. Diese Größe wird heute wieder modern, sozusagen.

Im selben Essay geht es um Glaube als Lebensauftrag. Was bedeutet das für Sie?

Ich spüre, dass ich wieder auf der Suche nach einer religiösen Heimat bin. Dass ich eben doch ein sehr gläubiger Mensch bin, der sich aber auf eine gewisse Art heimatlos fühlt, weil er sich keiner Kirche angehörig fühlt. Ich habe auch meine Kinder nicht so großgezogen. Der Große lehnt das radikal ab, ich habe ihm nur die Eckpfeiler dessen, was ich selbst mitbekommen habe, mitgeteilt. Ohne den wirklichen Glauben. Ich habe ihm alles erzählt, aber eher nüchtern. Es tut mir fast leid, dass ich ihm etwas vorenthalten habe. Dem Kleinen lese ich auch aus der Kinderbibel vor, aber ich gehöre keiner Glaubensgemeinschaft an.

Sie haben ja einen sehr anstrengenden Beruf. Wie machen Sie das, wenn Sie sich aus der Schauspielwelt wieder verabschieden? Wie regenerieren Sie?Auch wieder mit der Familie?

(Lacht …) Leider häufig schon.

Warum leider?

Das Alleine Ausspannen kommt zu kurz. Es muss die Organisation am Laufen gehalten werden, Kindergarten, Schule und all das. Für mich ist das zwar einerseits Stress, aber andererseits angenehm, einfach keine Verpflichtungen zu haben. Ich merke, dass mich Öffentlichkeit immer anstrengt. Ich galt ja immer schon als öffentlichkeitsscheu, ein Prädikat, das immer auch interessant und spannend ist, aber es strengt mich einfach an …

Das Gefühl beobachtet zu werden …

Ja, man muss ständig auf sich aufpassen. Nicht, dass ich mich jetzt gehen lassen möchte, aber Öffentlichkeit ist anstrengend. Daher ist es wichtig, auch einmal eine Zeit lang keinerlei öffentliche Verpflichtungen zu haben. Nur Freunde zu treffen und das tun was ich gerne tue.

Wie leben Sie Verantwortung ganz konkret in Ihrer Familie? Teilen Sie das mit Ihrem Lebensgefährten?

Ja, das ist zur Zeit ein Modell, das die meisten leben. Dadurch, dass Mann und Frau beide berufstätig sind, wie es heute oft üblich ist. Im Kindergarten meines kleinen Sohnes sind viele Mütter berufstätig, oder wollen wieder in den Beruf einsteigen. Das geht nur, wenn man sich die Aufgaben teilt …

Aber es ist immer noch besser möglich als noch vor dreißig Jahren …

Mit Sicherheit, es ist selbstverständlicher, obwohl Frauen immer noch mehr übernehmen als Männer. Männer sehen oft Dinge nicht, die Frauen sehen. Ich denke, dass wir Frauen uns einfach immer noch mehr aufreiben, manchmal auch zu wenig delegieren.

Wie gehen Sie mit Ängsten um? Besprechen Sie das mit jemand oder machen Sie es mit sich selber aus?

Wenn die Ängste etwas betreffen, was uns alle angeht, dann bespreche ich das. Gleichzeitig gibt es Ängste, die eher mit Sorgen verbunden sind. Oder normale Angst, jemanden zu verlieren. Letztlich gehe ich damit um wie die meisten Menschen – wenn’s dringend ist, wird es angesprochen. Es ist wichtig, Dinge nicht einfach nur wegzupacken, aber sie auch nicht allzu hoch zu hängen. Als Kind wollten Sie wahrgenommen, gesehen, beachtet werden. Ergab sich daraus der Berufswunsch der Schauspielerin? Ja, ich wollte schon immer gesehen werden, sonst wäre ich nicht Schauspielerin geworden. Doch das haben andere auch, und wählen ganz andere Berufe, um das zu erreichen. Wollen ganz großartig werden oder gar den Nobelpreis bekommen.

Im Gegensatz dazu der Wunsch, nicht bemerkt zu werden, anonym zu sein, wie passt das zusammen?

Das weiß ich nicht, man hat manches mal Dinge in sich, die sehr widersprüchlich sind. Das ist auch immer wieder Thema von Romanen oder Filmen. Jeder weiß das von sich, dass es zwei Seiten gibt, die sich auch durchaus widersprechen können. Man kann nicht alle gleichzeitig leben. Ich bin einerseits sehr froh mit dem Beruf, gleichzeitig habe ich das Bedürfnis nach Anonymität. Das wechselt ständig miteinander ab.

Können Sie Ihren Kindern Dinge vermitteln, die Sie selbst nicht vermittelt bekamen? Die Generation, die versucht hat, es besser zu machen als die Eltern?

Jede Generation versucht es besser zu machen. Ich wollte meinem großen Sohn, der jetzt 19 ist, ein starkes Selbstbewusstsein vermitteln, dass er mutig genug ist, seine Meinung zu sagen, dabei aber immer auch die Meinung der anderen zu respektieren. Auch einen starken sozialen Aspekt, das ist bei ihm sehr gut gelungen…

Sind sie zufrieden mit seiner Entwicklung?

Ja, das war ich immer. Obwohl ich beim Kleinen sicher bin, dass ich manche Dinge mit einigem Abstand wieder anders machen werde. Andere Grenzen setzen oder die Grenzen verschieben.

Wie engagieren Sie sich noch?

Ich habe mich ein paar Jahre für Terre des Hommes engagiert. Für diese Organisation hatte ich immer wieder Lesungen gemacht. Im Moment mache ich gerade eine Pause. Immer wieder engagiere ich mich für Hamburg-Leuchtfeuer. Dafür findet dieses Wochenende eine große Modenschau statt.

Möchten Sie uns von Ihrem neuesten Filmprojekt erzählen?

Als nächstes mache ich etwas, worüber ich noch nicht sprechen darf. Ich habe dieses Jahr drei Sachen gemacht, die nächstes Jahr kommen werden…

Sie sind immer noch sehr fleißig…

Ja, das eine war ein Film fürs Kino, das zweite auch, das dritte war ein Fernsehspiel, und jetzt drehe ich Mitte November noch etwas. Es ist schon sehr viel, das stimmt.

Macht es Ihnen noch Freude?

Ja, aber dazwischen muss auch noch Zeit sein…

Ihre Kollegin Katja Riemann singt, viele Schauspieler gehen auch in andere Genres. Was würde Sie noch reizen?

Ich würde zu gerne noch schreiben, wenn ich es könnte. Das Schreiben hätte ich mir als künstlerische Neigung ausgesucht, wenn ich die Wahl gehabt hätte.

In der ZEIT schreiben Sie vom „Traum der Verlassenheit düsterer Tannenwälder“, das klingt lyrisch.…

Ich kann Bücher gut beurteilen, aber Schreiben ist etwas ganz anderes. Ich würde es gerne können…

Konstanz ist ja einer der schönsten Flecke Deutschlands. Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, wieder hierher an den See zurück zu kehren?

Ja ich weiß, wie schön Konstanz ist, aber Sehnsucht habe ich keine danach. Meine Mutter besucht mich öfter, ich selbst bin vielleicht einmal im Jahr in Konstanz.

Frau Auer, vielen Dank für das Gespräch

Interview: Johannes Fröhlich

Bild aus dem Film ULTIMA THULE – Eine Reise an den Rand der Welt

  1. Hans -Ulrich Schlumpf 2005, © 2005 by ARIANE FILM AG Zürich-Schweiz