Voglhaus-Chefin Martina Vogl im Gespräch

Frau Vogl, wie kommt man eigentlich als studierte Slawistin zu einem Cafe in Konstanz?

Durch die kurzfristige Politik des Kultusministeriums. Ich wurde vor dem Studium aufgefordert, Russisch zu studieren und Lehrerin zu werden. Am Ende meines Studiums wurde der Russisch-Unterricht an den Schulen wieder eingestellt. So ist das gekommen.

War das Ihr Traumberuf oder hat der Zufall Sie geführt?

Es war doch eher der Zufall, der mich zu meinem Traumberuf geführt hat.

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Mein Erfolgsrezept ist, dass ich mich nicht darum schere, wie man etwas macht oder was man sagt oder was die Leute denken. Mein Motto ist: I am what I am. Authentizität, Leidenschaft, Überzeugungen auch gegen den Strom und Zeitgeist zu vertreten. Das kann manches Mal auch komplett in die Hosen gehen, das habe ich zeitweise auch schon erlebt. Das Projekt „Voglhaus“ war nicht immer erfolgreich. Vieles musste ich nachjustieren. Wenn’s geklappt hat war es vielleicht auch ein Vorteil, nicht mit dem Strom geschwommen zu sein. Ich wollte etwas ganz Besonderes schaffen.

Haben Sie Freude an dem, was Sie tun?

Ja, sonst würde ich es nicht machen. Aber ich bin grade dabei, Dinge anders zu tun. Ich gehe raus aus dem Tagesgeschäft, ich gehe in eine neue Entwicklungsstufe in der Art wie ich die Geschäfte führe. Ich lasse vieles meine Mitarbeiter machen. Die wachsen stark an deren Aufgaben. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen. Auch für mich privat.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?

Aus einer enthusiastischen Einstellung heraus. Ich hasse den Zynismus, die Besserwisser-Pose, von wegen „wir wissen Bescheid, wie alles gemacht wird“. Das habe ich abgelegt.

Wie bringen Sie ein Cafe und ein Kaufhaus unter einen Hut?

Mit einer großen Schar engagierter und motivierter Mitarbeiter. Im Grunde ist das ein logistischer Wahnsinn. Wir haben alleine 300 Lieferanten, ich besuche unendlich viele Messen, um Ware zu beschaffen. Dieser Weg ist schwierig und mit sehr viel Arbeit verbunden. Wir machen nicht die schnelle Mark.

Muss man ehrgeizig sein, um so einen Erfolg zu haben?

Ja, wobei sich mein Ehrgeiz nicht darauf gerichtet hat, ein bestmögliches Rating für die Banken zu erzielen, ich schaue nicht nur auf die Betriebswirtschaft. Das ist zwar wichtig, aber man muss auch tun dürfen, was man tun möchte. Für mich waren Freunde, meine Hunde, mein Privatleben immer so wichtig wie mein Geschäft.

Woher stammt eigentlich die Idee zur originellsten Toilette am Bodensee?

Es gibt in vielen Lokalen das Dilemma, oben schickes Restaurant, unten im Keller die schmuddeligen Toiletten. Man muss nur etwas Herz und Verstand haben um das zu ändern und um zu wissen, wie man seine Gäste gut behandelt. Die Details sind beim Umbau entstanden, die Handwerker haben einen richtig guten Job gemacht.

Sind beziehen Erlesenes für Ihr Cafe hauptsächlich aus der Region. Sind Sie eine Ökotante?

Ich höre eine Ironie bei Ihnen. (lacht) Wieso gibt es eigentlich keine Ökoonkels? Ökotante hört sich etwas sexistisch an. Ökotanten finden den Pullover nur schön, wenn er kratzt oder den Apfel nur gut, wenn ein Wurm drin steckt. Ich versuche den Sachverstand einzubringen, den man für ökologisches Handeln braucht. Ein Beispiel: wir benötigen täglich etwa 100 Liter Milch. Jetzt stehe ich vor der Wahl, ich nehme Öko aus der Region im 1 Liter Tetrapack oder ich nehme Milch aus Norddeutschland oder Dänemark in der 10 Liter-Box. Es würde immenses Expertenwissen benötigen, um die beiden Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen. Die 10 Liter-Box ist in dem Fall für uns einfach praktischer. Bei Ökofragen gibt es kein Alles oder Nichts, sondern nur ein mehr oder weniger gut. Wir bemühen uns das alles stets optimal zu machen.

Was bieten Sie Ihren Gästen, damit die sich so richtig wohl bei Ihnen fühlen?

Niemals -dick unterstrichen- betrachte ich unsere Gäste nur als Umsatzbringer. Natürlich leben wir davon, Dinge zu verkaufen. Das findet auch in unserem Corporate Design Ausdruck, wo erklärt wird, was es alles gibt. Egal ob ich Gäste bei mir privat oder im Voglhaus habe, ich liebe die Menschen, die meisten jedenfalls und ich möchte, dass es ihnen gut geht. Deshalb werden unsere Mitarbeiter auf die 4 Voglhaus M’s geschult: Man muss Menschen mögen.

Woher stammt die Idee für das berühmte Voglhaus-Brutzelbrot?

Wie bei den meisten guten Ideen haben wir aus der Not eine Tugend gemacht. Nach der Eröffnung stellten wir fest, dass der Bedarf nach einer warmen Mahlzeit bei uns sehr groß war. Nachdem wir so wenig Platz in der Vorbereitungsküche haben, suchten wir nach der wirklich guten warmen Mahlzeit. So war das Brutzelbrot geboren, der Name entstand in einem Brainstorming mit den Mitarbeitern.

Was bedeutet Ihnen Sinnlichkeit?

Alles. Ich weiß wovon ich rede, denn ich bin gerade frisch verliebt. Wir sprechen unsere Gäste auch auf allen Sinnen an.

Was war Ihr ursprünglicher Gedanke bei der Gründung Ihres Unternehmens?

Was hätte ich gerne, wenn ich irgendwo als Gast wäre oder einkaufen möchte, ich suche eine schöne Umgebung, nette Mitarbeiter, eine gute Qualität mit ökologisch und sozial ausgewogenen Bedingungen.

Wie verwöhnen Sie Ihre Gäste?

Wir bieten eine ernst gemeinte Gastfreundschaft mit ernst gemeinter Zuwendung. Das geben meine Mitarbeiter den Gästen. Wir verwenden viel Arbeit darauf, wie sich die Mitarbeiter zu den Gästen optimal und freundlich verhalten.

Gehen Öko und Kommerz bei Ihnen zusammen?

Nicht immer, manchmal gelingt es, manchmal nicht. Ich bin immer auf der Suche nach dem optimalen Kompromiss.

Was bedeutet Ihnen Mode?

Wir wollen nicht „Ich kaufe also bin ich“ haben. Kein Markenfetischismus, keine Preisschlachten. Im Sommer Wintermäntel kaufen und im Sommer Winterkleider kaufen, das lehnen wir ab. Wir wollen Mode, die auch über mehrere Jahre einen individuellen Stil bringt. Genau das denken viele Kunden deshalb sind wir erfolgreich.

Was für Ziele haben Sie für die Zukunft?

Persönlich gesehen möchte ich rund werden, das nenne ich so. Nach Jahren mit viel Arbeit und hohem Tempo, auch mit den männlichen Attributen wie Durchsetzung, wurde ich als Dampfwalze bezeichnet. Momentan habe ich ein riesiges Bedürfnis nach Rückzug. Ich besuche immer wieder Seminare bei einem Trainer, der hat einen guten Vergleich angestellt: Das Leben ist wie ein Fußballspiel, wer in der zweiten Hälfte noch in die selbe Richtung spielt, hat die Spielregeln nicht verstanden. Also Rückzug, Weiblichkeit, in den Tag hinein leben. Das Pendel schlägt zurück zu meinem Besten. Ich nehme neue Impulse aus meiner Kehrtwendung. Das spürt man auch im Geschäft. Ich tue mehr für mich, Klavier- und Gesangsunterricht, Yoga, ich schreibe viel.

Was essen und trinken Sie in Ihrer Freizeit am liebsten?

Zur Zeit esse ich am liebsten Nudeln mit Gemüse. Ich trinke gerne Rotwein oder Crémant aus dem Elsaß.

Was inspiriert Sie?

Alles mögliche, zum Beispiel Filme, aktuell gerade ein Film über die Doors. Oder der Film „Bird“ über Charlie Parker. Alles taugt zur Inspiration.

Was lesen Sie aktuell?

„Liebesnähe“ von Hans Josef Ortheil

Ihr Lebensmotto?

Albert Schweizer’s „ein freier Mensch…“ ist als Voglhaus Kaffeesatz im Internet zu sehen. „Eigenverantwortung und nicht für Geld Scheiße backen“

Haben Sie Träume?

Was für eine Frage (lacht)…. Mein derzeitiger Traum ist es, in ein paar Jahren mit dem Wohnmobil durch Europa zu fahren. Schreiben, Musik machen, Impulse für das Voglhaus finden.

Was wünschen Sie dem Voglhaus für die Zukunft?

Eine kontinuierliche Weiterentwicklung, meine Mitarbeiter sollten sich gegenseitig inspirieren. Unser tief verankerter Spirit sollte erhalten bleiben. Die von mir ins Leben gerufene Voglhaus-Akademie soll sich weiter entwickeln. Meine Vortragspläne, mit dem Voglhaus-Konzept in den Einzelhandel zu gehen.

Frau Vogl, danke für das Gespräch

Das Interview führte Johannes Fröhlich